...mich in ein paar Stunden ins Flugzeug zu setzen, einen Teil meines Ichs abzulegen und mich eineinhalb Wochen aus dem Koffer und aus einem Trolley mit viel mobilem digitalen Zeugs zu definieren?
Ich hätte noch stundenlang weiter am Wasserrand sitzen und so tun können, als könnte ich irgendjemanden retten, wenn er gerade beschließt zu ertrinken. Ich liebe die Sonne, das Wasser, das Beobachten, die Geräusche um mich rum.
Vorbei. Ich solle mich nicht wundern, wenn sich die inhaltliche Fokussierung des Panels, auf dem ich übernächste Woche die Rampensau geben soll, leicht geändert habe, stand vorhin in einer Mail. Aber man habe halt Verpflichtungen, weswegen ich jetzt als einziger Praktiker zwischen lauter Dottores und Professoren meinen Senf absondern soll. Angekündigt war anderes. Völlig anderes.
Die werden sich wundern. Ich kenne das Spiel. Das sind die Leute, die mich vorsorglich regelmäßig mit "Herr Doktor" anreden, obwohl ich nie ne Uni von innen gesehen habe. Und die dann ziemlich entsetzt schauen, wenn ich ihnen mit aller Freundlichkeit, zu der ich in der Lage bin, erkläre, dass ich Autodidakt bin und mich akademische Weihen einen Scheißdreck interessieren und dass ich nicht einmal einen vorzeigbaren Schulabschluss habe. Ich habe keinen MBA und keinen sonstigen grenzwertigen Titel, und wisst ihr was? Ich bin verdammt stolz drauf.
Und dass die Theorien, die ich vertrete, vielleicht absurd, aber wenigstens meine eigenen sind. Dass mich ihre Zahlen und ihr Rumgehampere mit irgendwelchen Studien von irgendwelchen Researchern nicht interessieren. Ohja, und ich werde natürlich funktionieren: Unlängst fing ein Professor bei einem Panel in München an zu salbadern, die parlamentarische Demokratie sei in allerhöchster Gefahr. Es blieb seine letzte Wortmeldung an diesem Tag, mein ältester Freund wird verstehen warum. Ich kann Leute mit freundlichem Lächeln im Gesicht hinrichten, wenn ich dazu in der Stimmung bin. Deswegen hat man mich ja eingeladen, nehme ich an. Einer fürs Spektakel unter den abgehobenen Soziologen.
Glaubt ihr, das funktioniert? Ich denke nicht im Traum dran. Ich kann mich ebenso gut zwei Stunden hinsetzen und gar nichts sagen, ich bin kein dressiertes Tier im Zoo, dass man mal eben in der Akademikerfalle vorführt. Ich reagiere ziemlich aggressiv auf Titel- und Trophäensammler und für deren Entertainment bin ich auch nicht zuständig.
Versuche nie, mich einzufangen. Du schaffst es ohnehin nicht.
Paul wird 64. Meine Güte, das treibt mir die Tränen in die Augen. Beatles, das sind, kein Witz, einer der vermutlich wichtigsten Teile meines Lebens. Angeblich, zumindest laut Erzählungen, saß ich als Zweijähriger vor dem Plattenspieler und bin bei den Beatles mitgewippt. Ich kann mich erinnern an Let it be, als man mir, dem damals fünfjährigen Stöpsel erklärte, dass das die letzte Platte der Beatles sei, und dass ich unterschwellig kapierte, dies müsse etwas ganz furchtbar Schlimmes sein. Ich weiß, dass Paperback Writer eines meiner ersten Lieblingslieder war und dass ich mit 30 Jahren entdeckte, dass "You and I" (siehe Video) eines der wunderbarsten Stücke aller Zeiten ist. Ich höre heute noch Beatles-Platten immer wieder neu, bei Sgt. Pepper oderAbbey Road entdecke ich auch nach dem 736. Hören Dinge, die mir bis dahin verborgen geblieben waren.
Niemand treibt meine versteckten Emotionen derart in Aufruhr...ich kann schreien, toben, weinen, lachen und mich gelegentlich auch furchtbar über Pauls Schmusepopper-Phase ärgern (unerträglich!), aber ich höre in jeder Note, in jedem Takt das Genie von vier Autodidakten. Genie - nicht gelerntes, kein Fleiß, nichts abgeschriebenes, erarbeitetes, einfach nur unglaubliche, wahnwitzige Begabung.
Bitte verschont mich mit Kommentaren, dass John der Genialere der beiden war. Erstens: stimmt das nur sehr eingeschränkt. Zweitens: John ist tot, leider. George auch. Ringo war immer für die Stimmung wichtig, Paul wird 64. Das Leben geht vorüber, so wie die Beatles nur noch Geschichte sind. Natürlich war mir klar, dass Pauls letzte Tour eine Art Beatles-Revival ist, mehr nicht - aber es war mir soooo unendlich wichtig, dabei gewesen zu sein. Seitdem war ich nie wieder auf einem Live-Konzert und ich wüsste auch nicht, welches ich noch sehen wollte. (Korrektur: Doch, ich war noch bei Paul Weller, sehr nett, sehr großartig, very cool...aber nach McCartney bringt mich nichts mehr aus der Fassung).
Seit Stunden läuft hier im ansonsten sturzbescheuerten Bayern 3 das McCartney-Geburtstagsspecial. Ich werde gerade von einer emotionalen Welle zur anderen geschmissen...so lucky, so happy, so sad.