20
Aug
2006

Damals (2)

RIMG0066

Es gibt einen Geruch im Haus meiner Großeltern, an den ich mich erinnern kann. Nein, eigentlich stimmt das nicht bzw.: Ich kann nicht sagen, nach was es roch. Keiner der üblichen Gerüche, die man in einem alten Haus kennt. Mehr ein Geruch nach Büchern, auch wenn Bücher nicht wirklich riechen. Es sei denn, so viel weiß ich heute, sie sind alt. Sehr alt. In manchen Räumen roch es mehr danach, in anderen weniger, aber irgendwie hatte ich immer das unbestimmte Gefühl, irgendwo verteilt über dieses riesenhafte Haus müsse eine unheimliche Ansammlung von Wissen liegen. Von altem, sehr altem Wissen. Wenn man so will, hatte für mich Wissen und Klugheit eine zentrale Anlaufstelle. Auch wenn ich das damals so noch nicht realisierte.

Schon gar nicht realisierte ich, dass diese Bücher nicht nur alt waren - sondern SEHR alt. Ein, zwei Abende jetzt mal gründlich durch das gewühlt, was Großvater seinem Enkel - und sonst niemandem - hinterlassen hat; es ist einfach unglaublich. Eine Shakespeare-Übersetzung von 1842 ist das harmloseste; sonst finden sich 250 Jahre alte Bibeln, Liturgien aus dem 17. Jahrhundert, Messbücher, die fast 300 Jahre alt sind. In einem unglaublich guten Zustand. Man unternimmt Zeitreisen, wenn man sie durchblättert, vorsichtig in der Hand hat; man verliert sich daran, man atmet wieder diesen Geruch von damals und man glaubt es nicht wirklich, dass das alles jetzt nicht nur vor dir liegt, sondern dir gehört. Nicht wegen des materiellen Wertes.

RIMG0065

Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, was so etwas wert ist, habe auch nie danach gefragt, nehme aber an, dass ein gut erhaltenes Messbuch mit einem Alter von 300 Jahren seinen Wert hat. Egal. Dieses Wissen (darunter übrigens auch ein 40bändiges Lexikon der Musikwissenschaft, bei dem ich mich frage, ob mein Großvater vielleicht einfach keinen anderen Abnehmer gefunden hat); dieses immense Wissen und dieses geistige Vermächtnis meines Großvaters liegt jetzt bei mir. Und zwar nur bei mir. Das wrd niemand bezahlen können.

Damals (1)

lastscan

Ich fand es immer ziemlich toll, damals, in der Isar zu schwimmen. Man darf das nicht verwechseln mit jenem gerade im Sommer etwas dünnem Rinnsal innerhalb Münchens, dass man mit etwas Glück und einigen Kiesbänken auch zu Fuß duzrchqueren kann. Nach München schwillt sie wieder ganz schön an, die Wilde, und gelegentlich entwickelt sie einige böse Stromschnellen und Strudel und wenn man da nicht aufpasst - nicht jeder, der damals, in den Zeiten, als es Erlebnisbäder und ähnlichen Kram noch nicht gab, in die Isar reinstieg, ist auch wieder rausgekommen. "Der ist in die Isar gegangen" war damals auch über lange Jahre die charmante Beschreibung dafür, wenn jemand seinem Leben ein Ende setzen wollte. Meistens hat´s geklappt.

Also war das natürlich nix mit alleine zur Isar gehen. Nur unter Aufsicht und da musste dann auch immer die Wasserwacht mit dabei sein. Uncool. Also, Freibad, eines der ersten damals in Niederbayern, das immer noch unter ein paar strukturellen Schwächen litt, wie beispielsweise solchen, dass im Bayerischen Wald die letzten Einöden erst in den 60er Jahren elektrischen Strom bekamen. Daran gemessen war ein Freibad, noch dazu mit solchen Deluxe-Variationen wie einem 5-Meter-Turm, eine unfassbare Sache. Wenn auch nicht so abenteuerlich wie die Isar, die ein paar hundert Meter weiter weg floss.

Irgendwann mal war das so, wie das immer ist. Die Stadt war reich geworden, unsagbar reich, sie konnte sich alles leisten was sie wollte und noch viel mehr. Mit dem Geld kamen allerdings nicht gleichzeitig auch Stil und Geschmack, man kennt das ja: Wenn der Bauer aufs Roß steigt, sagt man in Niederbayern zu solchen Phänomenen. Sie stiegen also auf Roß mit ihren unzähligen Millionen, rissen das alte Freibad ab, machten in den 80ern eines der ersten Erlebnisbäder Deutschlands daraus, planierten die ganze Wiese davor zu und ließen von ihrem alten Stadtbild nicht mehr sehr viel übrig. Heute stehen hier ein paar kolossale Betonklötze, ein ziemlich scheußliches Erlebnisbad direkt neben einem Eisstadion, das wiederum an ein kolossales kleines Fußballstadion anschließt, und damit sie dort auch alle parken können, ist aus der Wiese neben dem Bad inzwischen eine kolossale Betonfläche mit Parkplätzen entstanden.

Nur diese Kirche dahinten, ein paar Jahrhunderte alt, etliche Kriege und auch zwei Weltkriege überstanden, und außerdem aus vielerlei Gründen mein Fixpunkt in der Stadt, die steht immer noch. Und wird auch dann noch stehen, wenn sie im Zuge eine großen Renatuierungsmaßnahme das Ding wieder abreißen und durch die Isar fluten lassen.

(Das Foto fand ich in der Hinterlassenschaft meiner Großeltern; einiges andere auch. Darüber später mehr.)
logo

München Mitte

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Out of Munich

Auf dem Bücherstapel

Im Plattenschrank


Kaiser Chiefs
Yours Truly, Angry Mob


the Beatles
Love


Charlotte Gainsbourg
5. 55


Bob Dylan
Modern Times


Paul Weller
As Is Now



David Gilmour
On An Island



Kaiser Chiefs
Employment



Julian Lennon
Mr. Jordan (1989)


Keith Jarrett
The Köln Concert

Aktuelle Beiträge

David Gilmour
Und...war sie das?
Klangspektrum - 14. Apr, 00:10
Schick
Wo genau findet man dieses Schmuckstück zum entspannen...
seltersabine - 6. Jul, 17:04
Life goes on, here we...
Die neue Seite - hier.
Herzogspitalstr. 14 - 17. Mai, 01:42
Hotel Hobbies - and time...
(Eigentlich wollte ich den untenstehenden Beitrag mit...
Herzogspitalstr. 14 - 17. Mai, 00:55
Cheerio, altes Leben
Hätte mich jemand gesehen, hätte er mich für bekloppt...
Herzogspitalstr. 14 - 16. Mai, 23:28

Suche in München Mitte

 

Status

Online seit 7139 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 14. Apr, 00:10

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren