Berlin (2)
Ich könnte fluchen, so wenig Zeit hier zu haben. Erstens finden sich immer wieder atemberaubende Bildmotive, ich könnte hier ganze Gigabyte fotografieren und filmen. Zweitens kenne ich diese Ecke von Berlin nicht, obwohl sie unglaublich zentral liegt. Hier stand mal die Mauer und hier wird das ganze Absurdum dieser Stadt deutlich. Scheußliche Betonmonster aus DDR-Zeiten direkt gegenüber, zwischendrin immer noch der eine andere winzig kleine unberührte Fleck, immer wieder mal Spuren der Mauer. Und mittendrin ich, in diesem gigantischen Hochhauskomplex, den sein Gründer damals als pure Provokation direkt an die Mauer gestellt hat. Ich muss, nebenbei bemerkt, zugeben, dass mich solche Machtapparate auf eine merkwürdige Art und Weise immer noch faszinieren. Nicht, dass ich wieder zurück möchte in die Welt der gut gekühlten Büros, der mittäglichen Dinners bei Sushi und anderem angesagten Quatsch und dem lässigen Vorzeigen irgendeiner Chip-Karte, die dich an den hier wahnwitzig ausgeprägten Security-Checks vorbei lässt. Aber für zwei, drei Tage...faszinierend. Man weiß dann wieder, warum viele dieser Elfenbeinturmbewohner Wörterbücher haben, in denen der Begriff Realitätsverlust ausradiert ist. Wie soll man auch was wissen von der Realität, im 16. Stock, vollverglast, mit Blick auf Deutschlands Metropole, mit Alltagsthemen, die für 99 Prozent der Leute draußen in der unverglasten Welt völlig irrelevant sind?
Herzogspitalstr. 14 - 30. Mai, 09:04