Vor ziemlich genau einem Jahr zeichnete sich ab, dass ich in diesem Irrsinn namens Festanstellung nicht mehr weiter machen wollen würde. Dass ich so einen Unfug wie Urlaubsanträge und Fahrkostenabrechnungen und Anträge zur Zuteilung von Filmmaterial nicht mehr ertragen wollen würde. Und vor allem keine, wenngleich wenige, Quatschköpfe von Vorgesetzten, denen man am liebsten zweimal am täglich die Frage stellen würde, ob sie eigentlich noch alle Latten am Zaun haben, was aber irgendwie schlecht geht und das nicht nur aus Gründen der guten Erziehung. Ich weiß nicht, wie oft ich in den zurückliegenden 20 Jahren den Kopf geschüttelt und mich gefragt habe, wie es dieser Ausbund an Inkompetenz an eine solche Position geschafft haben kann. Und dabei rede ich nicht von irgendwelchen Abteilungsleitern (die Ebene war zum letzten Mal Mitte der 80er für mich zuständig), sondern von irgendwelchen vermeintlichen Top-Leuten, Kategorie Vorstand oder sowas. Eigentlich habe ich auf Vorstandebene nur einen kennen gerlernt, der was drauf hat und nebenher auch noch ein guter Typ ist. Zwischendrin lagen zwei Staffeln "Stromberg" und die Erkenntnis, dass solche erstaunlichen Vorkommnisse eher die Regel als die Ausnahme sind.
Inzwischen also mache ich mein eigenes Ding, schufte wie noch nie in meinem Leben - und was soll ich sagen: Ich hatte noch nie den Eindruck, etwas mit mehr Begeisterung gemacht zu haben. Klar ist das ab und an ne harte Nummer, die da abgeht, und, zugegeben, es gab nicht ganz wenige Momente, in denen die Zweifel an der Richtigkeit des Tuns deutlich größer als der Glaube daran war. Und klar gab und gibt es unruhige Nächte, aber die werden weniger. Die Nächte, in denen ich jetzt nicht schlafe, haben mehr damit zu tun, dass ich noch einiges abarbeiten muss, nicht mehr aber unbedingt mit im Dunkeln mit sich selbst ausdiskutierten Grundsatzfragen. Natürlich habe ich irgendwie auch verdammt großes Glück gehabt. Selbständigkeit mitten in einer Zeit, in der auf einmal in der Wirtschaft alles wieder gut wird (was genauso übertrieben ist wie vorher die jahrelange Dauerdepression) und dazu ein Marktsegment, in dem ich feststelle, dass es erstens momentan ungemein gefragt ist und in dem ich mich zweitens ziemlich alleine tummle. Das sieht in zwei, drei Jahren sicher anders aus, aber bis dahin, liebe Freunde, die ihr jetzt über ähnliche Geschäftsmodelle nachdenkt, bin ich weit, weit weg.
Also, es ist Wochenende, ich habe trotzdem zu arbeiten, und auf eine Anfrage letzte Woche, ob ich am letzten Wochenende im Juni mal Zeit für eine Veranstaltung hätte, konnte ich wirklich erst - ohne zu kokettieren - nach einem Blick in den Kalender beantworten. Eine Woche früher hätte der gute Mann übrigens Pech gehabt, schon verplant. Aber hey, ich arbeite lieber bis heute Nacht durch, als noch einmal in meinem Leben Urlaubsanträge auszufüllen und mich mit irgendwelchem intellektuellem Mittelmaß rumzuärgern (Fachwissen engt ja auch ungemein ein, sagte Herr Stromberg in der letzten Folge dazu). Und Hamburg ist im Übrigen wunderbar, man sollte da echt über eine Niederlassung nachdenken, so in ein paar Jahren.
Herzogspitalstr. 14 - 7. Apr, 11:40